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«Eine Maschine, die intelligenter ist als der Mensch, gibt es noch nicht»

Mit der künstlichen Intelligenz sollen in der Wirtschaft neue Möglichkeiten geschaffen werden. Doch wie sehen diese aus und wie können sie entwickelt werden? Damit beschäftigt sich das Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz in Lugano (TI), welches mit den Universitäten USI und SUPSI zusammenarbeitet. Professor Luca Gambardella spricht im Interview über die technischen Fortschritte und über die Auswirkungen für Schweizer KMU.

Mit künstlicher Intelligenz soll das Verhalten von Menschen automatisiert werden
Mit künstlicher Intelligenz soll das Verhalten von Menschen automatisiert werden

Luca Gambardella, IDSIA ist das Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz in Lugano. Was können wir uns darunter vorstellen, an welchen Projekten arbeiten Sie gerade?
Das Institut entstand 1988 auf Initiative des italienischen Philanthropen Angelo Dalle Molle. 1999 wurde es den Tessiner Universitäten angegliedert. Wir nehmen eine Brückenfunktion zwischen der akademischen und der angewandten Forschung wahr. Einerseits arbeiten wir an vom Schweizerischen Nationalfond unterstützen Forschungsprojekten, andererseits an anwendungsorientierten Projekten mit der Kommission für Technologie und Innovation (KTI). Zudem gibt es Aktivitäten mit der Europäischen Union und direkte Mandate mit Unternehmen auf der ganzen Welt.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Welche Möglichkeiten eröffnet die künstliche Intelligenz?
Künstliche Intelligenz oder KI hat vor ein paar Jahren den Markt in Bewegung gebracht, die grössten Player weltweit bewegen sich heute Richtung KI, von Google, über Facebook, Amazon, IBM, Tesla sowie den Banken. Wir forschen an der Realisierung von Systemen, die immer grössere, intelligente Kapazitäten haben. Der Markt verlangt das und in meinen Augen ist das Potenzial gross. Es gelingt heute bereits, Maschinen zu entwickeln, die etwas besser machen können als der Mensch - Klassifizierung von Bildern oder das Entdecken von Produktionsfehlern beispielsweise. Diese Maschinen müssen aber noch besser werden. Eine Maschine, die intelligenter ist als der Mensch, gibt es noch nicht.

Wie hat KI die Wirtschaft verändert und welche Veränderungen stehen noch bevor?
Die Wirtschaft braucht rasche Lösungen. Sie will Maschinen, die Experten bei ihrer Arbeit helfen. Interaktionen Mensch-Maschine sind verbreitet. Doch auch wenn intelligente Maschinen Menschen dabei unterstützen, Entscheidungen zu treffen, eine rasche Ablösung von Menschen durch Maschinen sehe ich nicht, jedenfalls nicht im Bereich der KI. Bei mechanischen Aktivitäten gibt es diese Ablösung eher, da geht es um traditionelle Robotik. KI beschäftigt sich aber in erster Linie mit Maschinen, die autonom Entscheidungen treffen, die lernen können und sich selber konfigurieren. Die Digitalisierung der Wirtschaft wird viel künstliche Intelligenz erfordern.

Welche Wirtschaftsbereiche sind besonders an Ihrer Arbeit interessiert?
Da ist sicher die Finanzwirtschaft, wo es um die Analyse von Wirtschaftsdaten geht, um den Aktienhandel oder die Schaffung profitabler Portefeuilles. Hinzu kommt die Welt der Medien, der Mode, des Online-Shopping, des Tourismus oder der Freizeit. Ferner versuchen wir mit Produktionsfirmen, Maschinen zu optimieren und mit Ärzten arbeiten wir am Verständnis medizinischer Daten. Wichtig ist auch die Sprachanalyse, die automatische Übersetzung und alles, was Chatbots - texbasierte Dialogsysteme - oder Vokalassistenz betrifft, also die Kommunikation von Mensch und Maschine.

Viele Wirtschaftsbereiche sind an KI interessiert. Welcher macht in ihren Augen die grössten Fortschritte?
Ich glaube, dass die schnellsten Fortschritte in Anwendungsbereichen erzielt werden können, in denen es möglich ist, grosse Datenkais zu nutzen, um künstliche Intelligenz automatisch zu trainieren, ich denke dabei an allein fahrende Autos, Risikoanalyse, Online-Unterstützung, Versicherung, Marketing, kurzum alles, was mit großen Daten zu tun hat. Große Fortschritte haben Unternehmen gemacht, die eigenständige Systeme entwickeln, darunter Drohnen, die dann Roboter sind, die selbst entscheiden können.

Können Sie uns Beispiele nennen, wie Schweizer KMU KI nutzen?
Zurzeit laufen bei uns Projekte mit rund 15 KMU. Die Kommission für Technologie und Innovation unterstützt die Zusammenarbeit von Universitäten und Unternehmen, um so Innovation in die Unternehmen hineinzubringen. Interessante Beispiele gibt es viele: für die Produkteherstellung, bei Transformationsunternehmen, in der Finanzbranche, der Medizin, aber auch Hotels und Tourismusbetriebe wie auch Zeitungs-Verlage kommen zu uns. Alle versuchen zu verstehen, wie sich Daten in der Interaktion mit Menschen besser nutzen lassen. Wichtig dabei ist, Entscheidungen zu treffen. Es geht nicht darum, mit KI Versuche anzustellen, sondern sie dort einzusetzen, wo das Geschäft ist.

Was macht das IDSIA um in der Forschung bei den Besten zu bleiben?
Wir investieren in Humankapital, um als Arbeitgeber für Personen mit grosser Kompetenz attraktiv zu bleiben, und in Maschinen. Für bestimmte KI-Projekte sind komplexe Maschinen unerlässlich. Ein wichtiges Standbein ist schliesslich die Ausbildung von Studenten und Doktoranden. Wir verstehen uns als Forscher, die neue Ideen entwickeln und diese in angewandte Projekte umsetzen. Ich bin davon überzeugt, dass die Forschung nie aufhören darf, Neues zu studieren und zu erfinden. Es braucht aber auch die praktische Veranlagung, dies in der realen Welt zu nutzen.

Weitere Informationen zum Thema Digitalisierung finden Sie in unserem Dossier.

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