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«Spezifische gegen Schweizer KMU gerichtete protektionistische Massnahmen sehe ich nicht»

Die Schweizer Exportwirtschaft sieht Credit-Suisse-Chefökonom Oliver Adler derzeit nicht durch Protektionismus gefährdet. Doch wie sollten sich KMU auf den internationalen Märkten positionieren, damit das auch in Zukunft so bleibt? Und welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?

«Je besser Schweizer Firmen in Global Supply Chains integriert sind, desto besser sind sie vor Protektionismus geschützt»
«Je besser Schweizer Firmen in Global Supply Chains integriert sind, desto besser sind sie vor Protektionismus geschützt»

Herr Adler, welche Bedeutung hat der internationale Handel für die Schweizer Wirtschaft?
Eine absolut zentrale Bedeutung. Das zeigt sich nur schon am riesigen Anteil, den die Schweizer Exporte zum Bruttoinlandprodukt beisteuern. Dominant ist heute nach wie vor der Handel mit der EU. Die Wichtigkeit anderer Märkte, insbesondere China, nimmt aber laufend zu.

In den vergangenen Jahren haben protektionistische Strömungen, zumindest auf politischer Ebene, auf der ganzen Welt an Oberwasser gewonnen. Inwiefern tangiert das die Schweizer Exporteure in ihrem Geschäftsalltag?
Aktuell assoziieren die meisten Menschen zwei Ereignisse mit Protektionismus: Den Brexit und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Solche Ereignisse haben natürlich immer eine Auswirkung. Nach dem Ja zum Brexit hat beispielsweise das britische Pfund abgewertet, was man auch als Form von Protektionismus bezeichnen könnte, wenn auch eine wohl ungewollte. Haben Brexit und Trump nun bereits zu ganz konkreten, gegen Schweizer Unternehmen gerichtete protektionistische Massnahmen geführt? Ich würde klar sagen: Nein.

Von KMU ist allerdings immer wieder zu hören, dass die Rahmenbedingungen schwieriger geworden sind.
Das stimmt. Aus meiner Sicht hat das hat aber nicht in erster Linie mit Protektionismus, sondern mit dem starken Franken zu tun. Allerdings hören wir auch oft, dass KMU Schwierigkeiten mit sogenannten nicht-tarifären Handelsschranken haben. Darunter fallen beispielsweise unterschiedliche Normen und Vorschriften für Produkte zwischen den einzelnen Ländern, sogar innerhalb der EU, was den Export natürlich erschwert.  

Wie sollten sich Schweizer Exporteure positionieren, um ihr Risiko, künftig von protektionistischen Massnahmen betroffen zu werden, zu senken?
Lassen Sie mich dazu ein Beispiel machen: Eine aus meiner Sicht potenziell stärker durch Protektionismus gefährdete Branche ist die Pharmabranche. Ihr Geschäftserfolg ist zu einem signifikanten Teil von einer Behörde abhängig: Der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA). Medikamente ohne FDA-Zulassung haben auf den internationalen Märkten praktisch keine Absatzchancen. Das Beispiel zeigt: Potenziell bedroht sind all jene Bereiche, die für ihr Geschäft in irgendeiner Form von Staaten abhängig sind, oder auch in direkter Konkurrenz zur dortigen heimischen Industrie stehen. Anders sieht es für Industrien aus, die stark in globale Angebotsketten integriert sind. Das ist beispielsweise oft bei Zuliefererindustrien der Fall. Wenn etwa ein deutscher Autobauer Teile eines Schweizer Zuliefererbetriebs bezieht, dann hat das nichts mit der Nationalität, sondern allein mit der Qualität relativ zum Preis zu tun. Zusammengefasst lässt sich also sagen: Je integrierter Schweizer Firmen in Global Supply Chains sind, desto besser dürften sie künftig vor Protektionismus geschützt sein.

Sehen Sie einzelne Länder oder Regionen, in denen das internationale Geschäft für Schweizer Firmen tendenziell schwieriger wird?
Aus meiner Sicht muss man differenzieren zwischen dem, was derzeit in einigen Ländern diskutiert wird und dem, was Schweizer Unternehmen tatsächlich betrifft. Nehmen Sie als Beispiel die von den USA angedrohte Kündigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta. Der Administration Trump geht es unter anderem darum zu verhindern, dass günstige chinesische Produkte via Mexiko in die USA gelangen. Dass unsere hochqualitativen Schweizer Produkte davon betroffen wären, sehe ich nicht. Oder nehmen Sie das Beispiel China: Klar ist das ein Land, das seine Binnenwirtschaft stark schützt. Gleichzeitig besteht aber zwischen China und der Schweiz ein Freihandelsabkommen, dass Schweizer Exporteuren in China einen einfacheren Marktzutritt ermöglicht. Stand heute sehe ich keinen Markt, in dem Schweizer Unternehmen systematisch benachteiligt würden.

Neben Globalisierung und Protektionismus gibt es noch einen dritten Megatrend: die Digitalisierung. Wie bewerten Sie deren Einfluss auf den internationalen Handel?
Längerfristig ist das schwer vorherzusehen. Klar ist, dass viele Brachen dank der Digitalisierung enorme Effizienzgewinne erzielen können. Die dadurch entstehenden Kostenreduktionen werden den Handel sicherlich befördern. Ich sehe aber auch einen Gegeneffekt: Die Digitalisierung geht mit weiteren Entwicklungen, wie der Automatisierung und Industrie 4.0 einher. Wenn man Waren mit Robotern oder 3D-Druckern produzieren kann, heisst das, dass man sie potenziell überall auf der Welt produzieren kann. Die Notwendigkeit des internationalen Handels relativiert sich damit wieder. Auch beim Dienstleistungshandel ist der Einfluss der Digitalisierung nicht vollkommen klar. Nehmen wir das Beispiel einer Schweizer Versicherung: Dank der Digitalisierung kann sie Handelsschranken einfacher umgehen und ihre Dienstleistungen in der ganzen Welt anbieten. Wenn nun aber die gleiche Schweizer Versicherung ihr Back-Office künftig in Indien betreibt, dann ist es nicht mehr so klar, wo genau die Dienstleistung produziert wurde und ob der Handelsstrom wirklich in der Schweiz seinen Anfang genommen hat.

Werden protektionistische Massnahmen weiter zunehmen? Oder wird sich stattdessen die Globalisierung der Wirtschaft weiterentwickeln?
Wie weit sich die Globalisierung der Wirtschaft noch weiterentwickeln kann ist schwierig vorherzusagen. Dass es auf der anderen Seite zu massiven Abschottungstendenzen kommen wird, glaube ich nicht. Letztlich haben die beiden dominanten Länder der Weltwirtschaft, die USA und China, ein vitales Interesse daran, die Märkte mehr oder weniger offen zu halten. Beide Länder profitieren stark vom internationalen Handel. Auch ein Blick in die Geschichte dürfte für viele Länder abschreckend wirken: In den 50er-Jahren etwa bauten die Entwicklungsmodelle vieler lateinamerikanischer Staaten, wie Argentinien, Brasilien oder Mexiko, voll auf Protektionismus. Diese Modelle sind allesamt gescheitert.

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