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«Wir spüren protektionistische Massnahmen bei grossen Infrastrukturprojekten im Ausland»

Exportierende Schweizer KMU sollen sich von den Handelshemmnissen und der Komplexität des internationalen Geschäfts nicht abschrecken lassen. Doch protektionistische Tendenzen nehmen zu. Am diesjährigen CEO-Roundtable von Switzerland Global Enterprise (S-GE) Anfang Februar 2018 in Zürich diskutierten die strategischen Partner von S-GE (SERV, Axa, PwC, Credit Suisse (Schweiz) AG, International SOS und Data Quest) mit Gastgeber Daniel Küng, CEO von S-GE, über die sinkende Akzeptanz des freien Handels.

Peter Gisler, Direktor der Schweizerischen Exportrisikoversicherung SERV

«Wir spüren protektionistische Massnahmen etwa bei grossen Infrastrukturprojekten im Ausland. Bei Ausschreibungen muss oft ein immer grösserer Anteil der Wertschöpfung lokal erbracht werden – der klassische Exportanteil geht zurück», sagt Peter Gisler, Direktor der Schweizerischen Exportrisikoversicherung SERV. Auf der ganzen Welt, in Industrie- wie auch in Schwellenländern, nehmen protektionistische Strömungen und Massnahmen zu. Der Global Trade Alert von Simon Evenett, Ökonom an der Universität St. Gallen, zeigt, dass seit 2009 weltweit über 1’000 protektionistische Massnahmen eingeführt wurden. Diese führen zu mehr Komplexität im internationalen Geschäft. KMU müssen neue ferne Zielmärkte verstehen und die spezifischen Handelsbarrieren überwinden, seien es Zölle, Produktregistrierungen oder sonstige nicht-tarifäre Hemmnisse.

Handelsbarrieren versus Handelserleichterungen

«Wenn man von Handelsbarrieren spricht, muss man auch von Handelserleichterungen sprechen», so Gisler. Im globalen Wettbewerb müssten Länder ihre Exportwirtschaft unterstützen. Viele Länder würden im Bereich Finanzierung ihren Exporteuren direkt im Exportgeschäft unter die Arme greifen, auch ausserhalb des Supports durch kommerzielle Banken. «Dies sieht man stark in Asien, etwa mit der China Exim Bank oder der China Development Bank», sagt Gisler weiter. Was für die einen Handelsförderung ist, kann sich als Nachteil für die hiesige Exportwirtschaft herausstellen.

Die Schweiz verfolgt eine aktive Freihandelspolitik und bietet Schweizer Unternehmen durch Freihandelsabkommen Zugang zu grösseren Absatzmärkten und mehr Rechtssicherheit. Sie können so ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Marktteilnehmern aus Ländern ohne Freihandelsabkommen steigern.

«Made in Switzerland» nur schwer zu erreichen – neue Alleinstellungsmerkmale sind gefragt

Viele KMU seien heute nicht mehr wettbewerbsfähig, wenn sie zu viel in der Schweiz produzierten, so Gisler. Die Globalisierung zwinge sie, einen Teil ihrer Wertschöpfung outzusourcen. «Auch wir als Organisation müssen uns den neuen Realitäten anpassen. Früher waren KMU nur dann förderungsfähig, wenn mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung in der Schweiz erbracht wurden. «Heute unterstützen wir auch KMU mit einer flexibleren Auslegung der Schweizer Wertschöpfung», so Gisler. Eine Maschine in Top-Qualität zu exportieren, reiche heute oft nicht mehr aus. Der Kunde möchte zunehmend auch den Service dazu und erwartet heute auch neue Bezahlmodelle wie z. B. «pay per use». Die Schweizer seien gut darin, neben Top-Produkten auch einen Top-Service zu bieten, und sollten auf diese Attribute der Swissness setzen, um sich weiterhin erfolgreich auf dem Weltmarkt zu behaupten. Qualität und guter Service sind jedoch nicht länger Alleinstellungsmerkmale der Schweizer. «Andere Faktoren wie Flexibilität in den Zahlungsbedingungen können den Unterschied machen. Wir haben kürzlich ein Unternehmen unterstützt, das an einer Ausschreibung für ein grosses Infrastrukturprojekt in Lateinamerika teilgenommen hat. Beim Zuschlag war die Finanzierung entscheidend. Dem Käufer war weniger wichtig, woher das Unternehmen kam, und Produkte und Services seien von Konkurrenten gleich gut gewesen. «Das Schweizer Unternehmen erhielt den Zuschlag, weil es die beste Finanzierung bereitstellen konnte», erzählt Gisler.

Risiko Export – mit der richtigen Unterstützung leichtgemacht

Exportieren sei immer mit Risiken verbunden. «Dabei ist der Export nach Deutschland nicht gleichzusetzen mit dem Export z. B. nach Vietnam», so Gisler weiter. Dort herrsche eine andere Zahlungsmoral, was mit Mehrkosten verbunden sein könne. «Ein KMU muss sich fragen: Welche Risiken kommen auf mich zu? Hat mein Unternehmen die finanzielle Substanz und die entsprechenden finanziellen Mittel bzw. die Kreditfähigkeit bei der Bank, um die Risiken einzugehen?»

Trotz protektionistischer Tendenzen und den Risiken im Export: Die Globalisierung der Wirtschaft schreitet voran, angetrieben durch neue Technologien. Die Digitalisierung und die vierte industrielle Revolution machen den Transport von Daten und Waren über Grenzen hinweg einfacher. Das grosse Potenzial der wachsenden Mittelschicht in den Schwellenländern verschiebt die Schwergewichte der Weltwirtschaft nach Asien, längerfristig auch nach Afrika und Lateinamerika. 2030 werden zwei Drittel des Konsums der weltweiten Mittelschicht in Asien getätigt werden. Die wachsende Mittelschicht schafft ein riesiges Absatzpotenzial, sowohl für Konsumgüter als auch für Investitionsgüter, die für die neue Infrastruktur in den Schwellenländern benötigt werden.

Haben Sie Fragen zu Exportpapieren, Freihandelsabkommen oder Warenursprung? Hier finden Sie Checklisten, FAQs und die Zolldatenbank oder kontaktieren Sie unser ExportHelp-Team.

 

Peter Gisler

Peter Gisler ist seit dem 1. Januar 2017 Direktor der Schweizerischen Exportrisikoversicherung SERV. Er ist ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Exportfinanzierung und arbeitete zuletzt als Global Head Export & Trade Finance bei ABB Ltd. (Group Holding) in Zürich. In dieser Funktion war er auf Konzernebene verantwortlich für die Bereiche Garantien sowie Short Term Trade Finance, Offset & Countertrade sowie Customer Finance. Zuvor war er während fast 14 Jahren in diversen Positionen auf der Bankenseite tätig, immer im Bereich der Exportfinanzierung.

SERV

Die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV deckt politische Risiken und das Delkredererisiko beim Export von Gütern und Dienstleistungen. Die Versicherungen und Garantien der SERV bieten Schweizer Exportunternehmen Schutz vor Zahlungsausfall und erleichtern die Exportfinanzierung. Die Lösungen der SERV tragen ausserdem dazu bei, dass Unternehmen einfacher günstige Kredite oder eine höhere Kreditlimite erhalten, und helfen ihnen damit, beim Export ihre Liquidität zu wahren.

 

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Aussenwirtschaftsforum am 26. April in der Messe Zürich

Wie Schweizer KMU erfolgreich zwischen Freihandelsabkommen, WTO-Regeln und Marktzugangshürden navigieren können, erfahren Sie beim Aussenwirtschaftsforum am 26. April 2018 in der Messe Zürich. Treffen Sie dort auch Peter Gisler und weitere interessante Experten und KMU zum Erfahrungsaustausch.

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