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Schweizer Medtech in Chile

Ein lokaler Experte bietet Einblicke und erläutert die Chancen für Schweizer und Liechtensteiner Unternehmen

Der Medtech-Markt in Chile wächst kontinuierlich und erreichte 2019 ein Marktvolumen von 979 Millionen US-Dollar (+25 % seit 2016). Mit einer Importquote von 95 % sind die wichtigsten Zulieferer internationale Unternehmen. In diesem Interview mit Beat Strüby, Chief Executive Officer bei Medic Solutions, erfahren Sie, warum ein Schweizer oder Liechtensteiner Medtech-Unternehmen Chile als Exportmarkt nicht übersehen sollte.

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Chile war das erste OECD-Mitglied Südamerikas, ist eines der am weitesten entwickelten Länder in Lateinamerika und führt zahlreiche regionale Ranglisten wie den Competitiveness Index des WEF an. Im Vergleich zu seinen Nachbarn ist das Land für seine politische Stabilität, Rechtssicherheit und Geschäftsfreundlichkeit bekannt. Chile ist im internationalen Handel gut angebunden und hat mehr Freihandelsabkommen als jedes andere Land der Welt unterzeichnet. Die Beziehungen zur Schweiz sind mit einem Freihandelsabkommen (EFTA), einem Doppelbesteuerungsabkommen und einem Investitionsschutzvertrag gut gefestigt. Das hat bereits mehr als 200 Schweizer Unternehmen angelockt.

Der Medtech-Markt in Chile wächst kontinuierlich und erreichte 2019 ein Marktvolumen von 979 Millionen US-Dollar (+25 % seit 2016). Mit einer Importquote von 95 % sind die wichtigsten Zulieferer internationale Unternehmen mit Tochtergesellschaften und lokalen Vertretungen in Chile. Die wichtigsten Zuliefererländer für Medizinprodukte sind die USA (33,3 %), gefolgt von Deutschland (14 %) und China (10,5 %). Obwohl die Schweiz als wichtige Exporteurin von Medizinprodukten bekannt ist, entfallen bisher nur 2,5 % der Importe Chiles auf das Land (25 Millionen US-Dollar im Jahr 2020).

Die grössten importierten Kategorien sind medizinische Verbrauchsartikel. In den vergangenen Jahren haben jedoch die Importe von Geräten zur diagnostischen Bildgebung, Prothetik, Hilfsgeräten und Dentalprodukten erheblich zugenommen.

Warum sollte sich ein Schweizer oder Liechtensteiner Medtech-Unternehmen für Chile interessieren?

Beat Strüby: Chile bietet einen attraktiven Markt und ein regulatorisches Umfeld, das einen reibungslosen und organisierten Markteintritt ermöglicht. Sie können eine steile Lernkurve erwarten und rasch Strategien testen, die möglicherweise auch in anderen Märkten der Region anwendbar sind.

Es ist wichtig festzuhalten, dass Chile eine starke Importbasis für Medizinprodukte hat (95 %). Im Land gibt es nur einige wenige lokale Hersteller, und das bedeutet eine hohe Akzeptanz und ein geringes Dumping-Risiko. Der Zoll unterstützt diese Praxis mit transparenten Importverfahren und einem Freihandelsabkommen mit der EFTA, um die Steuerbelastung zu verringern. Darüber hinaus könnte Chile als Basis für Lateinamerika genutzt werden, da es über 29 geltende Freihandelsabkommen und Wirtschaftsinitiativen wie die Pacific Alliance verfügt. So lassen sich Medizinprodukte aus der Schweiz zollfrei nach Chile und dann weiter in andere Länder exportieren. Chile kann also als Drehscheibe für einen Dreiecksvertrieb in andere lateinamerikanische Länder sowie den asiatisch-pazifischen Markt fungieren.

Chile verfügt über einen stabilen regulatorischen Rahmen und eine zentralisierte Einrichtung (Instituto de Salud Pública), die für Kontroll-, Inspektions- und Überwachungsverfahren in allen Phasen des Lebenszyklus eines Medizinproduktes verantwortlich ist. Um eine verpflichtende Registrierung eines Medizinproduktes zu erhalten, muss man nur teilweise anwesend sein. Das Verfahren kostet rund 170 US-Dollar pro Produkt, dauert im Schnitt 60 Werktage und ist unbegrenzt gültig.

Welche Chancen sehen Sie kurz- und mittelfristig in Chile?

Beat Strüby: Das Jahr 2020 war für das chilenische Gesundheitswesen sehr schwierig. Durch die COVID-19-Pandemie mussten viele Ressourcen mobilisiert werden, um die vorhandenen Kapazitäten für Diagnose und Behandlung zu stärken und um bestmöglich auf die Bedürfnisse der Bevölkerung reagieren zu können. So betrachtet, ist die Rolle der Medtech-Unternehmen in Chile (lokale Vertretungen) von fundamentaler Bedeutung, da Chile aufgrund der lokalen Erfahrung mit dem Importverfahren rasch auf diagnostische Werkzeuge oder Geräte zur künstlichen Beatmung zugreifen konnte, obwohl diese nicht lokal hergestellt werden konnten.

Die mobilisierten gesundheitlichen Ressourcen, um der Pandemie die Stirn zu bieten, hatten zur Folge, dass Investitionen in den Gesundheitssektor, insbesondere in den öffentlichen Sektor, neu organisiert und priorisiert werden mussten. Dadurch zeigten sich deutlich kurz- und mittelfristige Chancen für Medtech-Unternehmen:

Ley de cancer

Das vor Kurzem in Chile in Kraft getretene nationale Krebsgesetz soll allen Patienten mit einem begründeten Krebsverdacht Zugang zu Diagnose und medizinischer Behandlung dieser Erkrankung garantieren. Mit der Umsetzung dieses Gesetzes könnte eine Reihe von Massnahmen notwendig werden, darunter die Ausarbeitung eines Nationalen Krebsplans, die Schaffung eines nationalen Fonds, um die laufende Finanzierung dieser Gesundheitspolitik zu sichern, die Schaffung eines hochauflösenden nationalen Onkologienetzwerks und die Stärkung der Qualität klinischer Dienstleistungen durch die Ausbildung neuer Spezialisten sowie der Zugang zu modernen medizinischen Behandlungen.

Die Umsetzung dieses gesundheitspolitischen Plans macht bis 2028 Investitionen von jährlich geschätzten 28 Millionen US-Dollar in onkologische Geräte und Infrastruktur notwendig. Das könnte eine interessante Chance für Schweizer Medizintechnik-Unternehmen sein, die Interesse haben, nach Chile zu kommen oder ihre Präsenz in der Region zu festigen.

Ley de farmacos II

Eine Anpassung der Vorschriften für Medizinprodukte in Chile wird gerade diskutiert. Das Ziel dieses Gesetzes ist unter anderem die Stärkung der Überwachungsverfahren und der Kontrollmechanismen für Medizinprodukte, die im Land vertrieben werden. In diesem Sinne zielt die neue Verordnung darauf ab, den Vertriebsstandard für Medizinprodukte in Chile zu stärken. Man orientiert sich dabei an Regelungen in Ländern mit starker sanitärer Überwachung wie der Schweiz. Es scheint also möglich, dass lokale Händler die Suche nach Produkten, die in Ländern wie der Schweiz hergestellt wurden, priorisieren.

Investitionen in Gesundheitsinfrastruktur

Das aktuelle Regierungsprogramm sieht die Modernisierung der Gesundheitsinfrastruktur durch die Schaffung neuer Krankenhäuser vor. Laut dem nationalen Plan für Investitionen in Krankenhausprojekte befinden sich aktuell 33 Krankenhäuser in Ausführung und 11 in Ausschreibung. Die Ausrüstung dieser Krankenhäuser, insbesondere jene mit hoher Komplexität, macht sehr präzise und qualitativ hochwertige Medizinprodukte erforderlich.

Parallel dazu wird ein neues digitales Gesundheitsmodell für eine stärker vernetzte, gerechtere und nicht diskriminierende Gesundheitsversorgung umgesetzt. Es konzentriert sich auf die elektronische klinische Datenbank, ärztliche Beratungen per Telemedizin und Tele-Rehabilitation mithilfe des IoT. Das Pflegemodell Telemedizin wurde in Chile 2020 stark beworben und wird von der Bevölkerung gut aufgenommen. Mit der jüngsten 5G-Ausschreibung (der ersten in Lateinamerika) ergeben sich grossartige neue Chancen in diesem Bereich.

Ausbildung medizinischen Personals

Die medizinische Fachwelt Chiles sucht auf globaler Ebene laufend nach neuen Behandlungstrends und Technologien. Dies schafft eine rege Nachfrage nach Spezialisierung und Schulungen in Industrienationen. Nach ihrer Rückkehr nach Chile fordern diese Ärzte die neueste Infrastruktur und Technologie, die sie im Ausland kennengelernt haben. So wurde ein hohes medizinisches Kompetenzniveau im Land gebildet, das es Chile ermöglichte, sich als Pionier in der Region in Bezug auf die Einführung und Umsetzung neuer Medizintechnologie zu positionieren.

Welche Empfehlungen haben Sie für Schweizer Unternehmen, die sich für Chiles Medtech-Markt interessieren?

Beat Strüby: Es ist zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, doch in der Praxis ist es empfehlenswert, eine lokale Vertretung zu haben (eine eigene oder über Dritte), um die importierten Produkte erfolgreich bewerben und verkaufen zu können. Die wichtigsten Werbekanäle, um neue medizinische Technologien bekannt zu machen, sind nationale Messen wie Expo-Hospital und Expodent sowie die einzelnen Ärzteverbände der Fachärzte und die Association of Health Industry Suppliers (APIS). Die Vermarktung erfolgt traditionell auf zwei Arten: im öffentlichen Sektor über Ausschreibungen auf der Online-Plattform «Mercado Público», im Privatsektor durch direkte Verhandlungen.

Unsere Untersuchungen zeigen, dass der Markt eine «lokale Unterstützung» durch Unternehmen über den Lebenszyklus ihrer Produkte hinweg zu schätzen weiss. Es ist wichtig, Schulungsverfahren einzurichten, damit der langfristige Support auch in Chile der Kultur des Schweizer Unternehmens folgt. Dies ist ein Unterscheidungsmerkmal, das sich der Markt wünscht und das daher nicht ausser Acht gelassen werden sollte.

Haben Sie weitere relevante Informationen?

Beat Strüby: Chile ist ein offener und umkämpfter Markt in der Medtech-Branche. Das macht ihn nicht nur attraktiv für gute Geschäfte, sondern auch, um Erfahrungen zu sammeln und damit andere interessante Märkte der Region zu stärken. Da es sich um ein Schwellenland handelt, ist der Preisfaktor zwar nicht entscheidend, aber dennoch ein wichtiger Punkt, da kosteneffiziente Lösungen hochbegehrt sind. Sich offen für eine differenzierte Preisstruktur zu geben, könnte es der relativ unbekannten Schweizer Medtech-Branche in der Region leichter machen.

Mit der Einführung von 5G eröffnen sich grossartige Chancen im Bereich digitale Gesundheit. Diese könnten für Schweizer Unternehmen, die Lösungen für Telemedizin, Digitalisierung und andere verwandte Bereiche entwickeln, interessant sein.

Unsere Untersuchungsergebnisse der vergangenen Jahre zeigen, dass es typische Merkmale Schweizer Produkte gibt, die im chilenischen Markt präsent sind und eine interessante Nachfrage erzeugen:

  • Produkte, die höchste Präzision erfordern (z.B. Instrumente für minimalinvasive Chirurgie).
  • Produkte, die in medizinischen Bereichen eingesetzt werden, die für ihre sehr geringe Fehlertoleranz bekannt sind (z.B. Neurochirurgie, Neonatologie).
  • Produkte, die eine lange Lebensdauer erfordern (z.B. Implantate).

Gegenwärtig importiert Chile unter anderem in den Bereichen Bildgebung, Strahlentherapie, Chirurgie, Ophthalmologie und Prothetik Medizinprodukte aus Industrieländern. Hier kann die Schweiz viel beitragen.

Wenn wir Ihr Interesse für Chile wecken konnten, werfen Sie auch einen Blick auf unsere weiterführenden Dokumente oder kontaktieren Sie uns für ein individuelles Beratungsgespräch.

Über Beat Strüby

Beat Strüby ist CEO von Medic Solutions, einem Unternehmen, das seinen Patienten frühzeitig Zugang zu aktuellen Medikamenten und geeigneten Medizinprodukten bieten möchte, die in Chile nicht verfügbar oder nicht zugänglich sind. In den vergangenen fünf Jahren konnte das Unternehmen eigene neue Medtech-Produktlinien in den chilenischen Markt einführen und eine breite Palette von Beratungsleistungen zu Markteinführungen und Bestimmungen für ausländische Unternehmen anbieten, darunter Mandate mit S-GE.

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