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Wie internationale Beschaffungsrisiken kontrolliert werden können

Die Kontrolle von internationalen Beschaffungsrisiken erfordert eine Priorisierung der Einkaufsteile, die Einschätzung der vorhandenen Risiken, Massnahmen zu deren Bewältigung und eine kontinuierliche Überwachung der Risikoexposition.

Suez-Kanal-Stau

Am 23. März 2021 verliert der Kapitän der Ever Given die Kontrolle über das 400m lange Containerschiff und blockiert damit den Suez Kanal, den bedeutendsten Seeweg zwischen Asien und Europa über den 12% des weltweiten Handelsvolumens abgewickelt werden. Innert weniger Tage stehen 300 Handelsschiffe im Stau, mit geladenen Gütern im Wert von 60 Mrd. Dollar. Der Ölpreis steigt um 5%. Produktionsbetriebe warten auf die bestellten Güter. Wasserstrassen wie der Suez Kanal zählen zu den neuralgischen Punkten des Welthandels. Pannen wie jene der Ever Given offenbaren, wie störungsanfällig internationale Zulieferketten geworden sind. Sie lassen die Forderung entstehen, Zulieferketten nicht mehr nur kostenorientiert zu optimieren, sondern die Risiken bei deren Gestaltung mit zu berücksichtigen.

Ein Innosuisse Projekt unter der Leitung der Fachhochschule Graubünden und der Berner Fachhochschule in Kooperation mit Industriepartnern und dem Fachverband procure.ch hat untersucht, wie die Risiken der internationalen Beschaffung kontrolliert werden können. Das Ergebnis des Projektes ist die Methodik iBERIMA, die Unternehmen beim Management von internationalen Beschaffungsrisiken unterstützt. iBERIMA besteht aus einem Prozess, der durch die Schritte des Beschaffungsrisiko Managements führt sowie Instrumenten, die deren Umsetzung unterstützen.

Fokussierung auf die grossen Beschaffungsrisiken

Der Prozess startet mit einer Priorisierung der im Ausland eingekauften Teile. Von deren Verfügbarkeit hängt die Fähigkeit des Unternehmens ab, Marktleistungen anzubieten. Die Einkaufsteile werden anhand der beiden Kriterien Ergebniseinfluss und Verfügbarkeitsabhängigkeit bewertet und in einer Matrix positioniert. Einkaufsteile mit einem hohen Einfluss auf das Unternehmensergebnis und einer hohen Abhängigkeit bei der Beschaffung gelten als strategisch und werden im Risikomanagement priorisiert.

Strategische Teile werden danach analysiert, welche potentiellen Risiken mit ihrer Beschaffung verbunden sind. Dies können Umfeldrisiken sein, die aus der politischen Instabilität eines Landes, aus Korruption oder einer mangelhaften Rechtssicherheit entstehen. Es können Lieferantenrisiken sein, die aus finanziellen Problemen von Zulieferern, qualitativen Mängeln oder Preiserhöhungen resultieren. Es können logistische Risiken beim Transport oder bei der Zollabwicklung auftreten. Beschaffungsrisiken können aber unternehmensintern durch eine falsche Einkaufsplanung, durch Missverständnisse und konstruktive Veränderungen von Produkten entstehen. Die erkannten Risiken werden dokumentiert und beschrieben.

Bewertung der Risikopotentiale

Die Bewertung der identifizierten Risiken befasst sich mit der Frage, wie hoch deren Eintrittswahrscheinlichkeit und der potentielle Schaden sind, für welche Risiken Massnahmen im Bereich der Risikobewältigung getroffen werden müssen und welche Risiken für ein Unternehmen tragbar sind. Das Ergebnis der Risikobewertung ist eine Risikomatrix, die die Risikoexposition des Unternehmens bei der internationalen Beschaffung darstellt. Risiken mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und grossem Schadenpotential müssen reduziert werden, um sie für das Unternehmen tragbar zu machen. Risiken mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit oder grossem Schadenpotential müssen geprüft werden, um sicher zu stellen, dass die Risikoexposition für das Unternehmen insgesamt bewältigbar ist. Risiken mit tiefer Eintrittswahrscheinlichkeit und kleinem Schadenpotential benötigen keine Kontrolle. Sie sind für das Unternehmen unkritisch, weil sie relativ selten eintreten und der entstehende Schaden das Unternehmen nicht gefährden kann.

Massnahmen zur Reduktion von Risiken

Bei der Risikobewältigung geht es darum, Massnahmen zu entwickeln, die die Wahrscheinlichkeit eines als kritisch eingestuften Beschaffungsrisikos reduzieren oder dessen schädliche Auswirkungen verkleinern. Grundsätzlich stehen den Unternehmen drei Arten von Bewältigungsmassnahmen zur Verfügung. Zur Risikovermeidung können sie beschliessen, auf die Beschaffung aus kritischen Märkten zu verzichten, Teile selbst herzustellen oder Währungsschwankungen abzusichern. Zur Risikoverminderung können sie kritische Lieferanten regelmässigen Audits unterziehen, langfristige Lieferantenbeziehungen pflegen, kritische Teile von mehreren Lieferanten beziehen oder Sicherheitsbestände lagern. Zur Risikoübertragung dient der Abschluss von Versicherungen für Haftpflichtfälle oder Betriebsunterbrechungen, die Einrichtung von Konsignationslagern oder die Verwendung von Incoterms. Um die Risikoexposition bei der internationalen Beschaffung grundsätzlich zu verringern und die Resilienz der Zulieferkette zu verstärken, können Unternehmen die Lagerbestände erhöhen, die Lieferantenstruktur geografisch diversifizieren und die Zulieferbeziehungen flexibilisieren. Jede Massnahme zur Bewältigung von Beschaffungsrisiken wird bezüglich ihrer Wirtschaftlichkeit evaluiert (Kosten der Massnahme im Vergleich zur Risikoreduktion), die Risikomatrix wird neu beurteilt und es werden Umsetzungspläne erstellt, um bei einem Risikoeintritt bereit zu sein.

Überwachung der Risikoexposition

Die Risikoüberwachung prüft, ob die beschlossenen Massnahmen zur Kontrolle der Risiken umgesetzt werden, ob sie Wirkung zeigen, die Schadenpotentiale und Eintrittswahrscheinlichkeiten wie gewünscht reduziert werden und wie sich die Risikoexposition des Unternehmens insgesamt verändert. Zusätzlich beinhaltet dieser Prozessschritt die Einrichtung eines Frühwarnsystems, das das Unternehmen frühzeitig auf den Eintritt von Beschaffungsrisiken aufmerksam machen kann. Das Frühwarnsystem beobachtet interne und externe Risiken anhand von definierten Indikatoren, meldet unvorhergesehene Veränderungen und verschafft dem Unternehmen Zeit, um rechtzeitig reagieren zu können. So kann die ständige Vergrösserung der Container Schiffe auf die daraus entstehenden Transportrisiken hinweisen und die Unternehmen dazu veranlassen, kritische Einkaufsteile aus unterschiedlichen Regionen über verschiedene Transportwege zu beziehen.

Um ein kontinuierliches Beschaffungsrisikomanagement sicher zu stellen, ist es wichtig, diesen Prozess im Unternehmen zu institutionalisieren und regelmässig zu durchlaufen. Das Prozesshandbuch iBERIMA und die unterstützenden Instrumente stehen dafür unter www.iberima.ch zur Verfügung. 

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