Ratgeber

Sicherheitsüberlegungen bei beruflichen Auslandsreisen – gute Praktiken

Cyberangriffe, Terrorismus,  Naturkatastrophen, soziale Unruhen - die Liste der Risiken im Ausland ist lang. Wie kann man sich auf internationalen Reisen also schützen?

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Ein Kommentar von Gautier Porot, MCrim EMBA, Regional Security Manager, International SOS:

Am 26. März 2019 hatte ich das Vergnügen, am AWF 2019 in Zürich einen Workshop zu Risiken von Geschäftsreisen zu leiten. Dabei konnte ich den Teilnehmenden die globale Entwicklung der Geschäftsreisewelt, anspruchsvolle Reisedestinationen und das Verhalten von Arbeitnehmern auf Reisen näherbringen sowie Fallbeispiele im Bereich Reiserisiko-Management aufzeigen, um das Reiserisiko zu senken.

Auf dem Weg zur globalisierten VUCA-Welt

Ist die Welt heute gefährlicher als früher? Diese Frage wird durch Experten im Bereich Reisesicherheit eifrig diskutiert. Sicher ist, dass die von den US-Behörden in den 1980er Jahren definierte VUCA-Welt (volatile, uncertian, complex, ambiguous) sich mit der zunehmenden Globalisierung weiterentwickelt hat.  Mit der vierten industriellen Revolution hat sich die Art und Weise des Reisens verändert - sowohl zum Guten als auch zum Schlechten für die Reisenden. Der umfassende geografische und wirtschaftliche Ansatz der internationalen Bevölkerung in dieser VUCA-Welt 2.0 ist ständigen Herausforderungen ausgesetzt, muss überdacht und ständig angepasst werden. Die beispiellose Entwicklung von neuen Geschäftsaktivitäten in Verbindung mit einer sich äusserst schnell verändernden Technologie; Stichwort Sharing Economy, und die neue Generation von Mobiltelefonen, definieren unsere Vorstellung der Reisesicherheit, und insbesondere die Risikomatrix unwiderruflich neu.

Herausforderungen für Geschäftsreisende

Und so ist eines sicher: In einer Welt in der Geschäftsreisende mit einer Vielzahl von Risiken konfrontiert sind, müssen diese bereit sein, sich aller Art von Herausforderungen zu stellen. Obwohl kein Patentrezept zum Angehen von globalen Risken besteht, gibt es sicherlich Strategien und Gegenmassnahmen, die Unternehmen dabei helfen, diese konsequent anzupacken. Einige Unternehmen haben diese grosse Herausforderung gar zu einer Chance für ihre Branche gemacht. Tatsächlich setzen sie dort, wo Volatilität herrscht, auf Nachhaltigkeit und Stabilität (d.h. Kontinuitätspläne, Bindung von Personal und HR-Vorteile); in Zeiten der Unsicherheit sollten Klarheit und Entscheidungsfindung verbessert werden (d.h. perspektivische Analysen, Weitergabe von Informationen an Reisenden, Evakuierungsplan vor Ort); in Angesicht von Komplexität ist Einfachheit der Schlüssel zum Erfolg (d.h. Schulung und Unterstützung bei der Reisevorbereitung); und schliesslich muss bei Ambiguität Voraussicht angewendet werden (d.h. Reisesicherheits-Management, Unterstützung von Risikoprofilen).

Alle Teile der strategischen Wertkette sind betroffen

Diese Initiativen müssen durch umfassende interne Richtlinien angegangen werden, die über die traditionellen Silos in Unternehmen hinausgehen. Die (Inter)Operabilität eines Geschäftsreisenden betrifft alle Teile der strategischen Wertkette eines Unternehmens. Schliesslich wirkt sich all dies auf die Reisebereitschaft des Reisenden und damit auf den Erfolg der Auslandsmission aus.

International SOS hat ein Tool entwickelt, das es Ihnen ermöglicht, einen massgeschneiderten Bericht über die Risiken, denen Ihr Unternehmen ausgesetzt ist, zu erhalten. Hier geht’s zum Tool.

«Plans are nothing; planning is everything.» Dwight D. Eisenhower

Plan ist nicht gleich Planung

Das obige Zitat von Dwight D. Eisenhower («Pläne sind wertlos, Planung ist alles») mag verschieden interpretiert werden, aber was ich daraus lerne, ist folgendes:  Pläne sind ganz offensichtlich nicht nutzlos, aber Murphy’s Law lehrt uns zu unseren Ungunsten, dass während sie evolutionär sind, uns Planung dennoch Antizipation ermöglicht. Dies ist wichtig, denn Planung ist der Grundstein dafür, inwieweit sich Mitarbeitende im Bereich des Reiserisikomanagements engagieren und beteiligen. Um in dieser Welt von VUCA 2.0 erfolgreich zu sein, müssen KMU und multinationale Unternehmen die Sicherheit von Reisen wiefolgt betrachten:

  1. Sensibilisierung: Unternehmen müssen intern das Bewusstsein schärfen und Reisenden damit einen 360° Überblick über das Reiserisiko zu geben.
  2. Bereitstellung von Informationen: Informationen sollen vor, während und nach einer Reise aktiv (und passiv) bereitgestellt werden.
  3. Der (telefonische) Support muss für Reisende - der Grundstein einer internationalen Geschäftsreise - rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr erreichbar sein.

Um Reisende und Unternehmen auf Auslandseinsätze vorzubereiten, haben International SOS und Switzerland Global Enterprise eine Checkliste für Reisende und Unternehmen entwickelt. Sie finden diese Checkliste im Downloadbereich unten.

“What happens in Vegas, stays in Vegas”

Leider scheint diese umgangssprachliche Redensart oft das Motto von Geschäftsreisenden auf ihren Auslandsreisen zu sein. Eine Umfrage der International SOS Foundation, der Kingston University und Affinity Health zeigt erstaunliche Ergebnisse. Die Studie legt unter anderem folgendes dar:

  • 46% der international Reisenden auf Geschäftsreisen konsumieren mehr Alkohol
  • 32% der beruflichen Reisenden halten sich in Gegenden auf, die als gefährlich gelten

Ebenso steigt das Risiko für Geschäftsreisende während dem Auslandaufenthalt eine neue Beziehung zu beginnen um 9%.

Gründe für die Verhaltensänderung auf Geschäftsreisen

Eine mögliche Erklärung für diese Verhaltensänderung kann die Entfernung zum jeweiligen Heimatland, die körperliche und geistige Erschöpfung des Reisenden, beruflicher und persönlicher Druck oder die Abwesenheit der Familie sein. Ein weiterer Faktor, der unser Verhalten beeinflusst, ist die sogenannte kognitive Verzerrung - also unsere natürliche Tendenz, nach Dingen zu suchen, die beweisen, dass unsere Betrachtungsweise einer Situation richtig ist. Ein Beispiel kann beim Konsumieren von News beobachtet werden: Konsumenten versuchen stets entweder den Inhalt für sich selbst sprechen zu lassen oder die Empfehlungen des Textes zu ignorieren, da diese nicht ihren Erwartungen entsprechen. Unsere unbewusste Voreingenommenheit macht es also schwierig, Inhalte objektiv wahrzunehmen.

Die vollständigen Ergebnisse dieser Studie finden Sie hier.

Effektive Praktiken anstatt «Best Practices»

Im Bereich von Reisesicherheit-Management ist es oft schwierig, «Best Practices» zu entwickeln, da aufgrund politischer, geografischer oder branchenspezifischer Unterschiede kein Fall identisch ist. Dennoch ist es möglich, effektive Praktiken zu identifizieren. Meiner Meinung nach beinhalten diese effektiven Praktiken jeweils drei verschiedene Aspekte des Reiserisiko-Managements: strategisch, persönlich und  psychologisch:

  1. Strategisch: Identifizierung des Umfangs der Mission und des Profils in diesem Umfeld
  2. Persönlich: sich auf den Tag vorbereiten, ein diskretes Profil annehmen, eigene Routinen variieren, Sicherstellung der regelmässigen Kommunikation mit anderen & das Mitführen der wichtigsten Dinge für einen Tag
  3. Psychologisch: Bewusstsein für die Risiken und Verständnis dafür, wie man in schwierigen Situationen darauf reagiert - Fokus auf maximal fünf Szenarien: Verkehrsunfall, physische Aggression, soziale Unruhen, Naturkatastrophen & bewaffneter Überfall

Morgen ist ein anderer Tag

All dies sind kritische Herausforderungen, die nur durch Prozesse gelöst werden können. Es ist also eine Frage der Einstellung und der Firmenkultur, die darüber entscheidet, inwieweit ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden aktive Unterstützung im Bereich Reisesicherheit bietet. Es ist wichtig festzustellen, dass es keine Zauberformel für die Erstellung eines solchen Programms gibt. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass ein umfassender und multidimensionaler Ansatz für Gesundheits- und Sicherheitsrisiken auf Reisen unerlässlich ist. Es liegt in der Verantwortung jedes Unternehmens, umfassende Richtlinien zu erarbeiten, die firmeninterne Silos übergeordnet sind, robuste interne Kommunikationspläne zu entwickeln, die vom Management gesponsert werden, und regelmässig Mitarbeiterschulungen für alle Reiseprofile und Reiseziele durchzuführen.

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