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Vom Fischhirn zur Konzernsoftware

Roboter übernehmen die Arbeitswelt? Nicht wenn es nach Starmind geht. Die Starmind-Algorithmen verknüpfen die Mitarbeitenden eines Unternehmens zu einem Superhirn, das den Robotern noch lange überlegen sein wird.

Starmind

Vor 17 Jahren sezierte der junge Student Pascal Kaufmann in den USA ein Fischhirn, um die einzelnen Hirnsektionen mit einem Roboter zu verbinden. Während dieser Tätigkeit kam ihm der Gedanke, wie grossartig es wäre, eine Art globales, vernetztes Hirn zu kreieren, um Probleme zu lösen. Zurück in der Schweiz, begegnete er bei seiner Arbeit am Lehrstuhl für Robotik dem Wirtschaftsinformatiker Marc Vontobel. Dieser erinnert sich: «Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Geschäftsideen umgesetzt, aber keine hatte mich bisher derart in Bann gezogen wie Pascals Idee.»

Superstars des Wissens verbinden

Was die beiden daraufhin im Büro ihres Professors ausheckten, macht im Kern noch heute die Software von Starmind aus: «Bei unserer Forschungstätigkeit im Bereich der künstlichen Intelligenz stiessen wir immer wieder auf Fragen, bei denen wir überzeugt waren, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit irgendwo auf der Welt jemand die Antwort kennt, ohne recherchieren zu müssen. Die Frage war nur: Wie identifiziert man diese Person?», erzählt Marc Vontobel. Den jungen Forschern schwebte die digitale Vernetzung von vielen klugen Studentenhirnen zu einer Art Welthirn vor: Die Idee Starmind war geboren. Doch die meisten Nutzer waren nicht bereit, für die Starmind-Dienste zu bezahlen. «Hätten wir stur an dieser ursprünglichen Idee festgehalten, würden wir heute wohl immer noch an einem Studentennetzwerk herumprogrammieren. Aber Unternehmertum bedeutet, Risiken einzugehen und adaptionsfähig zu sein», sagt Marc Vontobel. An der Idee änderten die beiden Unternehmer indes nicht viel, doch sie stellten sich auf eine neue Zielgruppe ein. «Wir realisierten plötzlich, dass Grossunternehmen und Konzerne so etwas wie kleine Universen darstellen.» 2010 im Handelsregister eingetragen, ging es mit dem Unternehmen Starmind von diesem Zeitpunkt an steil nach oben. Es vernetzt heute gezielt das brachliegende Wissen von Mitarbeitenden in Grossunternehmen, wenn andere Angestellte danach suchen. Stellt jemand eine Frage, identifizieren die Algorithmen im Hintergrund eine Reihe von Personen, die potenzielle Antwortgeber sind. Ihnen wird die Frage zugestellt, und in den meisten Fällen findet sich jemand, der die perfekte Antwort liefert. Natürlich hängt die Wahrscheinlichkeit, eine gute Antwort zu erhalten, mit der Grösse des Netzwerks zusammen oder, wie Pascal Kaufmann ein wenig salopp feststellt: «17 Hirnzellen machen auch noch kein Hirn aus.» Die beiden Jungunternehmer empfehlen ihr Produkt deshalb ab einer Unternehmensgrösse von rund 1000 Mitarbeitenden – ideal sind Grosskonzerne. «Unsere Kunden berichten von erstaunlichen Erfolgserlebnissen», erzählt Marc Vontobel. «Ein produzierendes Unternehmen hatte unsere Software erst seit Kurzem installiert, als ein Mitarbeiter in Italien über Starmind die Frage stellte, ob da jemand sei, der eine bestimmte Maschine konfigurieren könne, die man gerade kaufen wolle. Er erhielt postwendend die Antwort von einem Kollegen aus Deutschland, der meinte, er solle noch nicht kaufen, sie hätten genau so eine Maschine ungenutzt herumstehen. Durch eine simple Frage hatte das Unternehmen eine Million Euro eingespart.» Die Fragen, die über Starmind gestellt werden, sind so unterschiedlich wie seine Nutzer. Pascal Kaufmann ist oftmals selbst überrascht, wie gut seine Software in manchen Unternehmen funktioniert. Da sei beispielsweise eine Pharmafirma mit einer Abteilung von 8000 weltweit verstreuten Pharmatextern, die Beipackzettel für Medikamente schreiben. «Diese Leute sind begeistert von der neuen Art, sich untereinander zu vernetzen und rasch Antworten auf ihre hochspezifischen Fragen zu erhalten», bemerkt er.

Die Schweizer und die künstliche Intelligenz

In den sieben Jahren seit der Firmengründung im kleinen Universitätsbüro hat sich Starmind von einem Studentennetzwerk zu einer potenten Konzernsoftware gemausert. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Küsnacht und weiteren Büros in Frankfurt und New York zählt internationale Konzerne zu seinem Kundenstamm und kann Zugriffe auf seine Software von Nutzern aus über 70 Ländern verzeichnen. Insbesondere in den USA spüren die Jungunternehmer eine grosse Aufgeschlossenheit gegenüber ihren innovativen Ideen, die sie in der Schweiz manchmal vermissen. Dazu Pascal Kaufmann: «In den USA muss ich einem Unternehmer nicht erklären, wie wichtig es ist, dass seine Mitarbeitenden zusammenspannen. Die Frage des US-Unternehmers lautet eher: Wie macht ihr das? In der Schweiz hingegen muss man erst erklären, weshalb eine Vernetzung unter den Mitarbeitenden so

sinnvoll und spannend ist.» Marc Vontobel ergänzt: «Manchmal machen wir uns Sorgen, dass einige Firmen in der Schweiz den Anschluss verpassen könnten. Es ist diese Haltung: ‹Künstliche Intelligenz? Ach, lass uns mal in zwei, drei Jahren schauen ...› Da sind wir jeweils wirklich schockiert.» Allerdings sind auch die beiden Jungunternehmer gegenüber allem, was sich künstliche Intelligenz nennt, kritisch eingestellt. «Wir finden es nicht wirklich intelligent, wenn ein Programm 300'000 Bilder einer Katze benötigt, um mit Sicherheit sagen zu können: ‹Das ist eine Katze›», präzisiert Vontobel, und Kaufmann ergänzt: «Wir setzen auf Algorithmen, die mit möglichst wenig Daten eine Katze erkennen oder eben das Profil eines Menschen erstellen können.» Dass viele Menschen zurückhaltend sind, wenn es um künstliche Intelligenz geht, verstehen die beiden Firmengründer. Science-Fiction-Szenarien, in denen der Mensch bald überflüssig ist und Roboter die Welt regieren, sind für die meisten eine unheimliche Vorstellung. Dieser Zeitpunkt sei noch ein ganzes Stück weit weg, sind sich die Starmind-Gründer sicher. Sie sind überzeugt, dass die gezielte Vernetzung der besten menschlichen Hirne mittels Algorithmen noch lange Zeit viel schlagender sein wird als der Versuch, den «Braincode» zu knacken. «Unsere Software will den Menschen nicht wegrationalisieren, sondern wertet ihn auf und hält ihn länger im Arbeitsprozess», erklärt Marc Vontobel. Und Pascal Kaufmann verdeutlicht: «Wir spielen im Team Mensch, nicht im Team Roboter.»

Die Bedeutung von Menschen: 1 + 1 = 3

Dass für Starmind der Mensch im Mittelpunkt steht, ist sofort spürbar, wenn man die Büros des Unternehmens betritt. Eingangs zeigt ein grosses Glashirn, worum es hier geht. Im Korridor lachen Hunderte fröhliche Gesichter als Doppelselfies von der Wand – an einem Firmenfest war jeder Mitarbeiter aufgefordert, sich in jeder möglichen Zweierkombination zu fotografieren. «Diese Fotos an der Wand versinnbildlichen unser Motto: 1 + 1 = 3. Das bedeutet, wenn man die richtigen Menschen im richtigen Moment zusammenbringt, entsteht viel mehr, als wenn einfach jeder vor sich hinarbeitet», erklärt Marc Vontobel. Die Rekrutierung neuer Leute empfinden beide als Herausforderung: «Immerhin haben wir das Glück, ein interessantes Thema zu besetzen, das motivierte Leute anzieht, das macht es einfacher», meint Pascal Kaufmann. So konnten die Jungunternehmer vor etwas mehr als einem Jahr auch den langjährigen General Manager von Microsoft Schweiz und mehrjährigen Country General Manager Microsoft Services – Westeuropa, Peter Waser, für Starmind als CEO gewinnen. Ihn reizte die Vorstellung, seine Erfahrung in einem jungen Unternehmen wie Starmind einzubringen. Für Marc und Pascal bedeutet dies eine Entlastung in allen Managementfragen und erlaubt es ihnen, sich wieder mehr Zeit zu nehmen, um Innovationen voranzutreiben.

Mit Vorurteilen aufgeräumt

Die Credit Suisse bewies sich für Starmind als zuverlässiger Partner in ihrer jungen Firmengeschichte. Durch das stete Wachstum benötigte Starmind im letzten Jahr eine höhere Kreditlimite. Marc Vontobel erklärt: «Wir brauchten kein Bargeld, sondern eine Sicherheit, um einen möglichen finanziellen Engpass ausgleichen zu können.» Starmind ging verschiedene Banken an, aber die Aufgabe gestaltete sich schwierig. Nur die Credit Suisse erteilte ihnen eine Zusage: «Stefan Keller von der Credit Suisse kam gleich zusammen einem Kreditverantwortlichen zu uns. Dieses Team wollte alles von uns wissen. Am Ende hat uns Stefan Keller offensichtlich vertraut, und wir bekamen den Kredit», erinnert sich Pascal Kaufmann. Seither hat sich die Beziehung zur Credit Suisse intensiviert. «Ich muss schon sagen, dass ich einige Vorurteile revidieren musste, die ich gegenüber einer Grossbank wie der Credit Suisse hatte», gibt Kaufmann zu. Der Kontakt mit dem Kundenberater verlaufe total unkompliziert, zudem schätzen die Firmengründer immer wieder das umfangreiche Know-how der Bank: «Es gibt strategische oder finanztechnische Fragen, bei denen ich früher einen unserer Aktionäre angerufen hätte. Heute frage ich in solchen Fällen meist erst bei Stefan Keller an», so Pascal Kaufmann. Und wo sieht Kaufmann als Spezialist künstlicher Intelligenz die Zukunft der Bank? «Ich sehe die Bank der Zukunft noch viel mehr als Netzwerk und Problemlösungsmaschine. Die Credit Suisse ist darin heute schon sehr stark – das passt wunderbar mit der Starmind-Philosophie zusammen.»

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