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«Gewisse Vorschriften lassen sich nicht mit Konsumentenschutz erklären»

Kuhn Rikon exportiert Schweizer Kochgeschirr in alle Welt. Seit 2013 steht Tobias Gerfin an der Spitze des Familienunternehmens aus Rikon. Was sind seine Erfahrungen mit Protektionismus? Und wie schätzt er die Erfolgschancen für Schweizer KMU auf den internationalen Märkten ein?

Kuhn Rikon-Kochgeschirr wird weltweit in über 40 Ländern vermarktet.
Kuhn Rikon-Kochgeschirr wird weltweit in über 40 Ländern vermarktet.

Herr Gerfin, Ihr Unternehmen ist seit Langem international tätig. Ist es heutzutage schwieriger zu exportieren und international zu wachsen?

Einerseits ja: Die enormen Schwankungen der Wechselkurse haben den Export in den letzten Jahren schwieriger gemacht. Erschwerend hinzu kommt die globale Preistransparenz im Online-Kanal, die lokale Besonderheiten in den Kostenstrukturen nicht mehr berücksichtigt. Dennoch würde ich sagen, dass die Wachstumschancen auf dem internationalen Konsumgütermarkt dank der in Weltregionen wachsenden Mittelschichten weiterhin gut sind.

Spüren Sie heute in Ihrem Geschäft einen Trend zu mehr Protektionismus – über die politische Debatte hinaus?

Protektionismus gibt es in vielen Marktregionen. Beispiele sind Sonderzölle in der EU auf Produkte aus China. Bei dieser Art Handelshemmnis hat sich die Situation in den letzten Jahren jedoch kaum verändert. Ganz anders sieht die Sache im Bereich der Normen aus: Produkte von Kuhn Rikon sind im Kontakt mit Lebensmitteln und müssen deshalb hohe Auflagen erfüllen. Leider entstehen in einzelnen Ländern und Regionen immer mehr lokale Vorschriften, die nicht immer mit dem Schutz des Konsumenten erklärt werden können.

Haben Sie sich schon einmal dagegen entschieden, einen neuen Markt anzugehen, weil Ihnen die Handelshürden zu hoch erschienen?

Kuhn Rikon hat sich immer wieder bewusst gegen den Markteintritt in einzelne Länder entschieden, allerdings jeweils aufgrund verschiedener Faktoren und nicht alleine wegen Handelshürden. Im Rahmen unseres Strategieprozesses im Jahr 2014 wurden etwa die Märkte Brasilien und Russland intern intensiv diskutiert. Letztlich bewerteten wir die Risiken in diesen Ländern, wie Importzölle, Korruption oder Währungsschwankungen, deutlich höher als die Chancen eines Markteintritts. Darum haben wir in den letzten Jahren auf Aktivitäten in diesen Ländern verzichtet.

Wo in der Welt ist der Markteintritt besonders schwierig?

Jedes Land ist anspruchsvoll, es ist daher nicht wirklich sinnvoll, ein Ranking zu erstellen. Überall auf der Welt gilt es für uns, die jeweiligen lokalen Vorschriften einzuhalten, damit wir unsere Produkte verkaufen dürfen. Entscheidend ist, wie man sich auf den Markteintritt vorbereitet. So arbeiten wir in vielen Ländern mit lokalen Distributoren zusammen, die sich mit lokalen Besonderheiten des Marktes sowie Kultur und Sprache auskennen. Für ein KMU wie Kuhn Rikon wäre die Bearbeitung von fast 50 Märkten anders gar nicht möglich. Auch bilaterale Abkommen, wie diejenigen der Schweiz mit der EU, erleichtern natürlich den Markteintritt.

Wie gehen Sie bei Kuhn Rikon vor, wenn Sie einen neuen Markt angehen?

Als ersten Schritt geben wir immer eine Marktstudie bei einem externen Partner, wie Switzerland Global Enterprise (S-GE), in Auftrag. Externe Beurteilungen sind für eine objektive und kritische Prüfung des eigenen Expansionsprojekts sehr wichtig – auch damit Wunschdenken und Vorurteile bestmöglich ausgeschlossen werden können. Im Jahr 2015 haben wir beispielsweise mit Hilfe einer externen Marktstudie einen Wiedereintritt in den japanischen Markt geprüft. Die für uns entscheidenden Kriterien sind die Kochmethoden in einem Land, die aktuelle und zukünftige Kaufkraft der Haushalte, die lokalen Distributionskanäle und die Wettbewerbssituation. Während die beiden ersten Punkte in Japan sehr positiv bewertet wurden, beurteilte die Marktstudie den Zugang zu den Distributionskanälen sowie die Wettbewerbssituation skeptisch. In der Folge verzichteten wir auf einen Markteintritt.

Welches sind Ihre wichtigsten Tipps für KMU, die international wachsen wollen?

Wichtig ist, sich im Vorfeld des Markteintritts die strategische Frage zu stellen, welches die kurzfristigen und langfristigen Ziele im neuen Markt sind – gerade weil der Aufbau eines neuen Marktes in den ersten Jahren oft unprofitabel und riskant ist. Auch sollte externe Hilfe bei der Marktbeurteilung gesucht werden. Es gibt in der Schweiz sehr gute Partner für solche Studien, sei es S-GE oder die lokalen Handelskammern. Auch für den effektiven Markteintritt sollte die Zusammenarbeit mit externen Partnern gesucht werden. Das können, je nach Konzept, lokale Geschäftspartner, wie Agenten oder Distributoren, oder unabhängige Organisationen wie S-GE sein. Ein Markteintritt ohne Partner vor Ort erhöht das Projektrisiko massiv.

Ihr Blick in die Zukunft: Glauben Sie, dass sich die Globalisierung intensivieren wird? Oder wird der globale Handel künftig eher eingeschränkt?

Die Globalisierung ist in vielen Bereichen nicht aufzuhalten und wird durch Digitalisierung, Automatisierung und Skaleneffekte noch weiter voranschreiten. Gleichzeitig muss aber damit gerechnet werden, dass der Klimawandel, die demographischen Verschiebungen sowie die Veränderungen am Arbeitsmarkt aufgrund von Industrie 4.0 zu protektionistischen Interventionen führen werden. Vielleicht werden staatliche Schutzmassnahmen heute zu negativ beurteilt. Man denke nur an Volkswirtschaften, wie Singapur oder Südkorea, die sich dank staatlicher Schutzmassnahmen sehr positiv entwickeln konnten. Marken, die gut positioniert sind, können in geschützten Märkten unter Umständen stärker profitieren als im freien Markt.

Über Tobias Gerfin

Tobias Gerfin promovierte an der ETH Zürich, anschliessend führte ihn sein Werdegang in der Industrie über die Firmen Bruker und Optrel zu Glas Trösch, wo er 2007 den Bereich Intérieur übernahm. 2010 wurde Tobias Gerfin die Position als CEO bei Stoll Giroflex AG übertragen. Tobias Gerfin ist seit Oktober 2013 CEO der Kuhn Rikon AG.

Über Kuhn Rikon

Kuhn Rikon ist ein Familienunternehmen mit eigener Produktion in Rikon in der Schweiz. Die Produkte des KMU werden in über 40 Ländern vermarktet: Kuhn Rikon-Kochgeschirr und -Küchenhelfer sind weltweit an über 4'000 Verkaufspunkten erhältlich.

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