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Unzuverlässige Geschäftspartner - das müssen KMU wissen

Wo zwei Parteien miteinander Geschäfte abschliessen, können Streitfälle entstehen – wie beim Familienbetrieb der Schreinerei von Herrn Binter. Welche Fragen international agierende KMU klären müssen, zeigt dieses Fallbeispiel.

Export: Was kann man tun, wenn nicht geliefert, man stattdessen stets vertröstet wird?
Export: Was kann man tun, wenn nicht geliefert, man stattdessen stets vertröstet wird?

Herr Binter* führt seine Schreinerei in dritter Generation. "Ein Familienbetrieb, wie er im Buche steht," lacht der Geschäftsführer. Zum Lachen hat er nach monatelangem Bangen zurückgefunden.

Die Schreinerei hatte sich über die Jahre einen guten Namen gemacht – weit über die Landesgrenze hinaus. Ohne zu zögern nahm Herr Binter einen Grossauftrag in Deutschland an. Ein Fünf-Sterne Hotel schloss für einige Monate die Tore, um sich einer Komplett-Sanierung zu stellen. Die Schreinerei aus der Schweiz wurde aufgeboten, die edlen Täfer zu sanieren und alte Teppichböden durch Fischgrat-Parkett zu ersetzen, um das Hotel im alten Glanz erstrahlen zu lassen.

Nach mehreren Besprechungen mit dem Architekten und der Bauherrschaft war das Holz ausgelesen. Herr Binter bestellte dieses bei einem langjährigen Geschäftspartner in Polen, da er sich bei diesem aus Erfahrung auf die Qualität verlassen konnte. Da das Hotel die grosse Wiedereröffnung bereits in den Medien, auf der Webseite und in Newsletter an die Hotelgäste kommuniziert hatte, sicherte sich Herr Binter ab und vereinbarte mit dem Holzlieferanten ein garantiertes Lieferdatum. Der Liefertermin verstrich und auf Nachfragen seitens Schreinerei kam die Antwort, es gebe Qualitätsprobleme. Eine Woche vor Arbeitsbeginn kontaktierte Herr Binter den Holzlieferanten erneut. Ohne Erfolg. Herr Binter war gezwungen, das Holz zu einem massiv höheren Preis bei einem anderen Lieferanten zu beziehen. Da er zu spät mit den Arbeiten beginnen konnte, kam es zu Verzögerungen im Bauplan des Hotels. Herr Binter sah sich mit Forderungen der Bauherrschaft konfrontiert, deren Höhe den Konkurs der Traditions-Schreinerei bedeutet hätte. Herr Binter kontaktierte seine Rechtsschutzversicherung. Die Anwältin der AXA-ARAG beauftragte umgehend einen auf internationales Vertragsrecht spezialisierten Anwalt. Dieser konnte erwirken, dass der säumige Holzlieferant die Zusatzkosten, welche aufgrund der kurzfristigen Holzbestellung anfielen, und die Forderungen der Bauherrschaft vollumfänglich übernehmen musste.

Seinem Credo verpflichtet, schloss die Schreinerei den Auftrag in gewohnter Qualität ab. Herr Binter freut sich, dass der grossväterliche Betrieb weiterbestehen.

Darauf sollten exportierende KMU besonders achten

Überall dort, wo zwei Parteien miteinander Geschäfte abschliessen, können Streitfälle entstehen. So wie in unserem Fallbeispiel, in welchem unsere Versicherungsnehmerin die Ware nicht rechtzeitig geliefert bekam und deswegen ihrerseits die Vertragspflicht einem Dritten gegenüber nicht erfüllen konnte. Was kann man tun, wenn nicht geliefert, man stattdessen stets vertröstet wird? Muss man eine angemessene Nachfrist zur Lieferung setzen oder kann man sofort den Rücktritt vom Vertrag erklären und Schadenersatz geltend machen? Was, wenn nur ein Teil der Ware geliefert wird, diese jedoch mangelhaft ist? Hat man das Recht, die Ware zurück zu schicken? Was, wenn Sie nicht in der Lage sind, rechtzeitig zu liefern?

International agierende KMU – welches Recht kommt zur Anwendung?

Bei internationalen Sachverhalten, d.h. in Situationen, bei welchen Anknüpfungspunkte in verschiedenen Staaten bestehen, können sich im Streitfall rechtlich höchst komplexe Fragen stellen. So zum Beispiel, welche Gerichte welches Staates zuständig sind und welches Recht im konkreten Fall zur Anwendung kommt. Je nach anwendbarer Rechtsordnung unterscheidet sich die Rechtslage sowie das rechtlich korrekte Vorgehen. So war es zum Beispiel in unserem Fallbeispiel aufgrund der Anwendbarkeit des Wiener Kaufrechts (CISG) erforderlich, dass unsere Versicherungsnehmerin eine angemessene Nachfrist zur Lieferung ansetzt. Erst nach unbenutztem Verstreichen standen ihr die entsprechenden Rechtsbehelfe zur Verfügung. Wäre das Wiener Kaufrecht ausgeschlossen worden und Schweizer Recht anwendbar gewesen, wäre sie hingegen nicht verpflichtet gewesen, zuerst eine Nachfrist anzusetzen, da ein auf den Tag exakter Liefertermin vereinbart wurde. Sie hätte die entsprechenden Rechtsbehelfe sofort geltend machen können. 

Vorliegendes Beispiel zeigt auf, dass Fragen betreffend korrektem Verhalten im Streitfall nicht pauschal beantwortet, sondern im Einzelfall immer rechtlich genau geklärt werden müssen. Ganz allgemein empfehlen wir, ein auf Ihre Tätigkeit zugeschnittenes, gutes Vertragswerk auszuarbeiten sowie die Zuständigkeit der Schweizer Gerichte unter Anwendung des schweizerischen Rechts zu vereinbaren. Es gilt im Einzelfall zu prüfen, ob es vorteilhaft ist, das Wiener Kaufrechts (CISG) auszuschliessen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Prüfung des Einzelfalles durch einen Spezialisten unerlässlich und essentiell ist.

*Name von der Redaktion geändert.

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