Expertise

Trends auf dem russischen Lebensmittelmarkt nach Covid-19

Interview mit der Vizepräsidentin der führenden russischen Premium-Lebensmittelkette

Die Pandemie hat zu grundlegenden Veränderungen bei den Gewohnheiten und Verhaltensweisen der Konsumenten geführt. Um zu verstehen, was auf dem russischen Lebensmittelmarkt geschieht, wie sich der Bereich E-Commerce entwickelt, inwiefern sich Käuferpräferenzen verändert haben und welche Produkte derzeit auf dem russischen Markt nicht erhältlich sind, haben wir mit der Vizepräsidentin von AZBUKA VKUSA, Russlands führendem Premium-Lebensmittelhändler, gesprochen.

Lebensmitteleinkauf

Trotz der anhaltenden Pandemie gibt es ihrer Ansicht nach eine positive Dynamik auf dem russischen Lebensmittelmarkt und bei der Nachfrage nach Premium-Lebensmitteln. Ekaterina Lomakova, Vizepräsidentin bei Azbuka Vkusa

Haben Sie während der Pandemie Verhaltensänderungen bei Ihren Kunden bemerkt?

Unsere kontinuierliche Analyse der Kundenpräferenzen zeigt, dass sich die Nachfrage während der Pandemie strukturell verändert hat. Wir konnten aber keine signifikanten Veränderungen im Verbraucherverhalten feststellen.

Mitte März gab es bei uns, wie auch bei den meisten anderen Lebensmittel-Einzelhändlern, einen deutlichen Anstieg an Massenkäufen und bis Mitte April war die Nachfrage nach frischen Produkten, also Obst und Gemüse, Frischfleisch, Fisch und Milchprodukte, besonders hoch, was unserer Ansicht nach darauf zurückzuführen war, dass die Leute eher zu Hause kochten als auswärts zu essen. Die Nachfrage nach alkoholischen Getränken stieg während des gesamten Zeitraums der Selbstisolation und auch noch nach Ende des Lockdowns, vor allem aufgrund von Grenzschliessungen und Einschränkungen im Hinblick auf Reisen sowie den Gastronomie- und Hotelbereich, was dazu führte, dass Alkoholika vorwiegend im eigenen Haushalt konsumiert wurden.

In letzter Zeit haben wir auch interessante Veränderungen dahingehend beobachtet, dass Kunden häufiger alles Benötigte nur in einem Geschäft einkaufen, anstatt den Einkauf auf verschiedene Supermärkte aufzuteilen. Eine direkte Folge der Pandemie war ein deutlicher Rückgang des Kundenverkehrs in den Geschäften, der sich seit dem letzten Frühjahr auch noch nicht erholt hat. Die durchschnittlichen Umsätze pro Einkauf sind jedoch gestiegen und steigen kontinuierlich weiter, was unserer Kette ein deutliches Umsatzwachstum beschert hat.

Sind Sie derzeit an neuen Marken interessiert? Gibt es Kategorien, die unterrepräsentiert sind und in denen Sie aktiv nach Lieferanten suchen?

Nach Verhängung der Sanktionen für den russischen Markt ist die Schweiz das einzige Land Europas, das noch Milchprodukte nach Russland liefern darf. Deshalb ist die Schweiz derzeit für uns ein sehr wichtiger Lieferant für Käse. Schweizer Schokolade ist ebenfalls gut vertreten. Bei anderen Lebensmittelkategorien, Non-Food und Getränken ist der Anteil der Schweiz jedoch noch relativ gering. Da sehen wir Möglichkeiten zur Expansion. Wir bemühen uns laufend, unser Sortiment auszuweiten und zu aktualisieren und suchen daher ständig nach neuen Partnern. Offen gesagt ziehen wir Produzenten vor, die mit Azbuka Vkusa als ihrem exklusiven Partner in Russland zusammenarbeiten wollen.

Seit der Gründung von Azbuka Vkusa zählen die Marktexklusivität für bestimmte Produkte und der Direktimport in einer Reihe von Kategorien zu unseren Wettbewerbsvorteilen. Hierdurch sind wir für unsere Zielkundengruppe einzigartig. Viele unserer Kunden kaufen regelmässig vor allem bestimmte Importware und Delikatessen bei uns ein. Zu den Marken, die wir exklusiv importieren, gehören Butlers (irische Schokolade), Wittard of Chelsea (englischer Tee), Ghiott (italienisches Gebäck), Sarah Horne und Emma Dune (englisches Geschirr) sowie zahlreiche andere.

Man muss bedenken, dass Schweizer Waren, die in der Schweiz vielleicht alltäglich sind, in Russland automatisch als Premiumprodukte eingestuft werden.

Das liegt hauptsächlich daran, dass der Endpreis der Produkte auch Währungsschwankungen und Logistikkosten decken muss. Für die meisten russischen Einzelhandelsketten ist das ein guter Grund, eine mögliche Zusammenarbeit nicht weiter auszubauen.

In dieser Hinsicht hat Azbuka Vkusa einen deutlichen Wettbewerbsvorteil: Unser Zielpublikum ist weltgewandt, mit vielen europäischen Marken vertraut und will diese auch in russischen Geschäften kaufen können. Wir konzentrieren uns jetzt schon seit einigen Jahren auf Health Food und sehen bei unseren Kunden ein deutliches Interesse für diese Kategorie. Unsere Untersuchungen zeigen, dass bei den Kunden der Trend dahin geht, verschiedene Arten von Ernährungsformen miteinander zu kombinieren, ohne sich zu sehr einzuschränken. Sie probieren daher gern neue Produkte aus, um ihren Speiseplan zu bereichern. Um dieser Nachfrage gerecht werden zu können, weiten wir unser Sortiment an gesunden und organischen Produkten ständig aus und beziehen diese auch von europäischen Produzenten.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit europäischen Produzenten ab und wie gelangen neue Marken in die Supermarktregale? Welche Voraussetzungen müssen importierte Produkte erfüllen?

In der Regel sind unsere Kategoriemanager dafür verantwortlich, neue Lieferanten zu finden. Sie besuchen internationale Messen und Ausstellungen oder sehen sich in Supermärkten im Ausland um. Während der Pandemie, als die Grenzen geschlossen waren, hat sich diese Arbeit in den Online-Bereich verlagert. Wir werden aber häufig auch von den Lieferanten selbst angesprochen. Für diesen Zweck gibt es auf unserer Website eine eigene Rubrik, unter der man sich als Partner bewerben und Informationen zu den verfügbaren Produkten eingeben kann. Das geht aber nur auf Russisch.

Bei der Entscheidung, ob wir mit einem neuen Lieferanten zusammenarbeiten, spielen verschiedene Kriterien eine Rolle. Eine zwingende Voraussetzung sind Sicherheitszertifikate und Konformität mit den Anforderungen im Hinblick auf die Produktqualität.

Wir analysieren auch den Wert des Produkts auf dem lokalen Markt und vergleichen ihn mit dem möglichen Endpreis in unseren Regalen, unter Berücksichtigung aller zusätzlich anfallenden Kosten. Wir beschäftigen uns mit der Markenpositionierung, um zu sehen, ob wir diese auf dem russischen Markt richtig abbilden und die entsprechenden Werte vermitteln können.

In der Regel kaufen wir Waren direkt von den Lieferanten, bereiten die erforderlichen Dokumente selbst vor und sorgen für die Logistik. Bei bestimmten Warenkategorien arbeiten wir aber auch mit Vertriebsunternehmen zusammen – beispielsweise bei Waren, die bei einer bestimmten Temperatur gelagert werden müssen, sowie bei Tiefkühlprodukten.

Wer ist verantwortlich für Marketing und Werbung für eine neue Marke: der Produzent, der Lieferant oder Azbuka Vkusa? Oder arbeiten alle drei zusammen?

Natürlich liegt uns die Werbung für unsere einzigartigen Importwaren sehr am Herzen. Schliesslich sind sie es, mit denen wir uns vom übrigen Markt abheben. Was die markenbezogene Werbung angeht, arbeiten wir mit jedem einzelnen Lieferanten zusammen. Wir haben selbst ein grosses Marketingteam und organisieren die meisten Marketing- und Vertriebsaktivitäten selbst. Je nach Zielsetzung erarbeiten wir Marketingaktivitäten für unsere sozialen Medien und unsere Website, führen Werbeaktionen in den Geschäften durch und setzen die Produkte im Regal besonders in Szene.

Können Sie uns etwas über die Entwicklung der Bereiche E-Commerce und E-Grocery bei Azbuka Vkusa erzählen?

2020 ist der Anteil des Online-Handels am Gesamtumsatz unserer Lebensmittelkette von 3 % auf 6 % gestiegen, und wir werden diesen Bereich auch weiter ausbauen. Wir haben als einer der ersten am Markt im Jahr 2008 einen Online-Shop gestartet. Wir bieten online ein umfassendes Sortiment an Food- und Non-Food-Produkten an, die wir innerhalb eines vom Kunden ausgewählten Zeitfensters in Moskau, der Moskauer Grossregion und in St. Petersburg nach Hause liefern. Wir arbeiten auch aktiv an unserem «AV Express Menu», unserem schnellsten Lieferservice, bei dem man Waren des täglichen Bedarfs und unsere Fertiggerichte aus eigener Herstellung online bestellen kann und dann innerhalb von 30 Minuten geliefert bekommt.

Während des Lockdowns haben wir Partnerschaften mit den grössten russischen Lebensmittel-Lieferservices wie Yandex.Food, Yandex.Lavka, Delivery Club und Samokat gestartet. Unsere Eigenmarken und direkt importierten Waren sind auf den Marktplätzen Ozon und Goods.ru vertreten. Mit Hilfe dieser Partnerschaften können wir regionale Märkte erreichen, neue Kunden gewinnen und auch in Städten, in denen Azbuka Vkusa nicht vertreten ist, mit unserem Zielpublikum in Kontakt kommen.

Unterstützung für Sie in Russland

Sind Sie an einer Zusammenarbeit mit AZBUKA VKUSA interessiert oder würden Sie gern mehr über den russischen Lebensmittelmarkt erfahren? Dann wenden Sie sich an den Leiter des Swiss Business Hub Russia, Artur Czerniejewski.

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