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Durch Unternehmertum zum erfolgreichen Geschäftsmodell

Berlinger + Co ist eines dieser Schweizer KMU, die es geschafft haben: Den Absprung von der aussterbenden Textilindustrie hin zum zukunftsträchtigen Geschäftsmodell als Anbieter von Temperaturkontrollsystemen und Dopingtests. Wie es dazu kam:

Auch die Dopingkontrolle ist ein Geschäftsbereich der Berlinger + CO.
Auch die Dopingkontrolle ist ein Geschäftsbereich der Berlinger + CO. Copyright: Berlinger + CO

Frau Berlinger Schwyter, Sie sind CEO bei Berlinger + Co, ein Unternehmen, das eine interessante Entwicklung durchlaufen ist. Zunächst stellte Berlinger Textilien her, nun ist Ihr Unternehmen weltweiter Spezialist für Dopingkontrollsysteme, Elektronik- und Softwareprodukte. Am Aussenwirtschaftsforum 2017 widmet sich S-GE dem Thema «Geschäftsmodelle neu denken: Der internationale Wettbewerbsvorteil von morgen» und möchte anhand Schweizer Beispiele die Möglichkeiten der Geschäftsmodellinnovation aufdecken.

Wie kam es bei Ihnen zu diesem Wechsel im Geschäftsmodell? Von der Weberei zum Anbieter von Software, Temperaturkontrollsystemen und Doping-Tests.

Begonnen hat diese Entwicklung damit, dass wir für 3M Bänder umgerollt haben. Wir waren damals ein Bänderschneidespezialist und sind deshalb von 3M beauftragt worden ihre doppelseitigen Klebebänder von grossen auf kleine Rollen zu ziehen und diese in ganz Europa zu vertreiben. Unser Kontakt bei 3M hat auf dem Gebiet Industrial gearbeitet, weshalb wir dann über ihn in Kontakt mit der Temperaturmesskarte kamen.

Es war also eine Reihe glücklicher Fügungen, die langsam eine nach der anderen zu einer Umlagerung der Geschäftsfelder führte. Natürlich war damals auch eine gewisse Zwangslage im Hintergrund. Es war klar, dass wir mit der textilen Vergangenheit brechen mussten, wenn wir überleben wollten. Dass sich dabei Opportunitäten ergaben konnten wir nicht so sehr steuern. Dass wir sie auch packten, war nicht zuletzt auch der unternehmerischen Risikofreude meines Vaters zu verdanken. Wir haben es tatsächlich geschafft alles umzukrempeln und dies mit grossartigem Teamwork und mit viel Pionierarbeit. Da bezahlten wir auch einige Lehrbatzen.

Eine sehr aktuelle Weiterentwicklung für Berlinger war dann 2014 die Übernahme einer Software-firma. Im Bereich der Temperaturüberwachung wuchs der Bedarf, die Daten, welche unsere Geräte liefern auch verwalten und verarbeiten zu können. Zunächst sind wir dann eine Partnerschaft mit einer Software-Firma eingegangen. Bei der Entwicklung der Software mussten wir viel eigenes Know-how in die Firma einbringen und um unser Know-how zu schützen, haben wir schliesslich die Firma übernommen.

Wenn Sie Ihr Geschäftsmodell in einem Satz beschreiben müssten, wie würde dieser lauten?

Wir bieten unseren Kunden in erster Linie einfach Sicherheit an. Einerseits im Feld der Hochsicherheitsversiegelungen von Urin- und Blutproben von Sportlern, andererseits mit elektronischen Datenaufzeichnungsgeräten zur sicheren Temperaturüberwachung von heiklen Gütern während Transport oder Lagerung.

Welche Rolle spielte der Export beim Wechsel Ihres Geschäftsmodells und wie wird dieser Berlinger in Zukunft verändern?

Der Export als solches hat nicht zum Wandel beigetragen. Durch den Wandel unserer Dienstleistungen und Produkte ist dieser jedoch kontinuierlich gewachsen. Dazu gilt zu sagen, dass wir vor 150 Jahren auch bereits viel exportierten. Feinste Jacquardgewebe wurden in grossen Mengen nach Indien verschifft. Dann folgten fast 100 Jahre in denen man sich vor allem auf den Schweizer Markt konzentrierte, ausgelöst durch einen Brand in der Weberei, was den Export von Textilien unmöglich machte. Aktuell exportieren wir wieder 90 bis zu 95% unserer Produkte. Wir sind global tätig.

Welche Rolle spielen Partnerschaften für Berlinger?

Je nach Sachlage hat ein KMU nicht immer alle Kompetenzen im eigenen Haus zur Verfügung. Es ist deshalb wichtig, dass man sein Netzwerk permanent pflegt.  Auf dieses kann man dann je nach Problemstellung zurückgreifen. Strategische Partnerschaften können attraktiv sein. Wir selber hatten bisher nicht immer so viel Glück wenn es sich dabei um die Marktbearbeitung handelte. Wenn Sie jedoch Partnerschaften mit Lieferanten, Kunden, den regionalen Behörden etc. ansprechen, dann sind das die Netzwerke, die es nachhaltig und fair aufzubauen und zu pflegen gilt. Nur über ein breites Netzwerk mit vertrauensvollen Partnern wächst in der Regel auch der nachhaltige Erfolg.  Es gibt aber kein Patentrezept, wie man einen Exportmarkt angeht. Je nach Markt muss man seine Strategie anpassen. Distributoren braucht man als KMU aber auf jeden Fall, weil man als kleine Firma nicht überall vertreten sein kann. Ausserdem ist das Modell mit Distributoren zu arbeiten für KMU sehr praktikabel und ressourcenschonend.

Wir erarbeiten uns dafür einen Kriterienkatalog und nehmen, ähnlich wie bei der Rekrutierung von Personal, ein Assessment vor. Wenn wir Kundenanfragen aus Ländern bekommen, in denen wir noch nicht vertreten sind, fragen wir oft den Kunden selbst, welchen Distributor sie sich wünschen. Das hat bisher sehr gut funktioniert.

KMU innovieren, nicht allein wegen der Frankenstärke, ihre Produkte und Dienstleistungen stetig. Doch auch auf strategischer Ebene, also in der Unternehmensführung, bedarf es der Innovation. Mit welchen Techniken und Strategien stellen Sie dies sicher?

Wir versuchen durch eine sinnvolle Kombination von externen Beratern mit Kernkompetenzen in verschiedenen Fachgebieten, ergänzt mit unserem eigenen Know-how eine griffige, zukunftsorientierte Strategie zu erarbeiten. In der sich aktuell rasant verändernden Zeit mit all den vielen neuen Trends und Technologien, die es zu berücksichtigen gilt, ist das eine permanente Herausforderung.

Ein komplettes Geschäftsmodell zu innovieren, ist keine leichte Aufgabe. Vielen fehlt es vermeintlich an Kreativität oder Weitblick. Welches Vorgehen würden Sie, aus Ihrer eigenen Erfahrung sprechend, anderen KMU raten, die auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell sind?

Nun, ich glaube da gibt es kein Patentrezept. Die Ohren immer offen halten, sich zwar fokussieren und doch Neues wagen. Hier die richtige Balance zu finden ist nicht immer nur rational erklärbar.  Oft ist es auch einfach „Glück“, das einem zur richtigen Zeit an den richtigen Ort bringt. Das Glück zu seinen Gunsten zu „zwingen“ hat jedoch immer auch mit viel Grundabklärungen, Faktenstudium und Tüchtigkeit zu tun.

Aussenwirtschaftsforum 2017 «Geschäftsmodelle neu denken»

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Am Aussenwirtschaftsforum am 18. Mai 2017 haben Sie ausserdem die Gelegenheit, sich mit anderen Schweizer KMU auszutauschen und sich von Vorreitern wie dem Ricolab (zum Interview), Elite SA (zum Interview) oder Burckhardt Compression (zum Interview) beim Executive Talk inspirieren zu lassen. Zu Programm und Anmeldung!

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