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Catch a Car AG: Das erste stationsunabhängige Carsharing-Angebot der Schweiz

Viviana Buchmann verhalf Mobility zum grossen Erfolg. Nun betreibt sie mit Catch a Car das erste stationsunabhängige Carsharing-Angebot der Schweiz und erzählt im Interview des "Unternehmer"-Magazins der Credit Suisse, wie essenziell das langfristige Denken für den Geschäftserfolg ist.

Viviana Buchmann, Verwaltungsratspräsidentin von Catch a Car, der neuen Tochtergesellschaft von Mobility.
Viviana Buchmann, Verwaltungsratspräsidentin von Catch a Car, der neuen Tochtergesellschaft von Mobility.

Frau Buchmann, Sie sind Verwaltungsratspräsidentin von Catch a Car, der neuen Tochtergesellschaft der Mobility. Was war der Reiz für Sie als Unternehmerin, Mobility trotz des grossen Erfolgs zu verlassen und etwas Neues in Angriff zu nehmen?

Ich liebe den Reiz des Neuen, und Start-ups haben die Eigenheit, dass man immer mehr dazulernt, was ich spannend und interessant finde.

Welches neue Kundenbedürfnis holen Sie mit Catch a Car ab?

Bei Mobility haben wir seitens Nicht-Kunden häufig gehört, durch das Reservationssystem gehe die Spontaneität verloren. Der moderne Mensch verbindet offenbar das Reservieren mit Planen. Die Dienstleistung von Catch a Car soll hier ergänzen: Während Mobility auch für längere, geplante Fahrten eingesetzt wird, sind es bei Catch a Car spontane, kürzere Fahrten innerhalb einer Stadt, zum Beispiel in den Ausgang abends oder zum Sport über Mittag, zum Flughafen oder nach einem Einkauf mit viel Gepäck. Die Nutzung ist der Unterschied.

Zuvor führten Sie Mobility nur innerhalb einer Dekade zu immensem Erfolg. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Die Begeisterung für dieses Produkt und die enorme Identifikation der Mitarbeitenden mit Mobility waren die Basis des Erfolgs. Wichtig war auch, das Unternehmen aus einer Nische heraus einer breiten Zielgruppe bekannt zu machen. Dabei rückten wir die Vorteile des Angebots und nicht den Verzicht in den Vordergrund. Zudem integrierten wir die Mitarbeitenden, damit der Innovationsgeist im Hause blieb. Zusammen mit den kundennahen technologischen Entwicklungen hatten wir gute Chancen erfolgreich zu sein – was schliesslich der Fall war.

Mobility kennt heute jedes Kind. Wie haben Sie diese Visibilität zustande gebracht?

Wir waren sehr stringent in der Markenführung: Einerseits hielten wir an unserer Hausfarbe Rot fest, denn wir hatten mit den roten Autos starke Markenbotschafter auf den Strassen, andererseits setzten wir auf einen Auftritt mit klaren Botschaften. Essenziell war auch die Imagekorrektur: aus einer etwas selbstgestrickten Marke hin zu einem modernen Lifestyle-Produkt. Auch die Zusammenarbeit mit der Presse und Kooperationspartnern wie der SBB führten zur richtigen Positionierung der Marke. Weil es sich bewährt hat, setzen wir bei Catch a Car auch auf dieses Modell. Ausserdem sind wir in den sozialen Medien wie Facebook und Twitter stark präsent, denn unsere Kundschaft ist zwischen 25 und 50 Jahre alt und sehr socialmediaaffin.

Und welche weiteren Erfahrungen, die sie durch Mobility gemacht haben, nehmen Sie nun mit zu Catch a Car?

Die wichtigste Erkenntnis war die Vermittlung der Botschaft gegenüber den potenziellen Kunden, dass das Carsharing eine lebenserleichternde Ergänzung zum öffentlichen Verkehr und damit eine moderne Mobilität darstellt. Mitnehmen konnten wir auch die Erkenntnisse über die Kundenbedürfnisse, denn das Geschäftsmodell von Catch a Car basiert – wie bei Mobility auch – auf einer Dienstleistung: Wir verkaufen keine Autos, sondern die Fahrten. Dreh- und Angelpunkt des Erfolgs ist dabei die Bedienerfreundlichkeit. Wir wollen eine einfache, gut kombinierbare Automobilität ermöglichen, die ein Privatauto gänzlich oder punktuell ersetzen kann.

Catch a Car wurde zuerst in Basel als Pilotprojekt eingeführt und nun auch in Genf. Gehört es zur Strategie, dass man die Städte einzeln angeht?

Diese Unternehmung ist kapitalintensiv, denn wir benötigen nicht nur Autos, sondern auch Arbeitskräfte für deren Pflege. Zudem braucht es Zeit, bis die Nachfrage da ist. Nach Gesprächen mit den politischen Entscheidungsträgern der acht grössten Schweizer Städten erhielten wir durchwegs positive Rückmeldungen und haben uns für ein Pilotprojekt in Basel entschieden. Währenddessen wurde die ETH beauftragt, eine Studie zum Nutzungsverhalten und zur verkehrsreduzierenden Wirkung von Catch a Car zu machen. Erst als die positiven Resultate wie der geringere CO2-Ausstoss vorlagen, konnten wir die Basler Stadtverwaltung von einer definitiven Einführung überzeugen. Genf war für die Abdeckung der Romandie strategisch wichtig. In Zukunft wollen wir auch in anderen Städten präsent sein.

Die Nachhaltigkeit ist auch eine Form von Langfristigkeit im Hinblick auf die Zukunft unserer Erde. Wie sinnvoll ist Catch a Car ökologisch gesehen?

Carsharing erlaubt, auch ohne Privatauto uneingeschränkt mobil zu sein. Je weniger Privatautos unterwegs sind, desto positiver sind die Effekte auf die Umwelt, Energieverbrauch und Verkehr. Unsere Autos haben einen niedrigen Benzinverbrauch und tiefen CO2-Ausstoss, nun setzen wir auch noch Erdgas Fahrzeuge ein, die praktisch null Emission haben.

Die Digitalisierung hat massgeblich zum Erfolg von Mobility beigetragen. Inwiefern werden diese Technologien auf das neue Geschäftsmodell übertragen?

Die Mobility fungiert als Technologielieferantin von Catch a Car. Schon die Mobility war ein Rappen-Geschäft, also haben wir sehr früh auf Crowd Sourcing und damit auf eine komplette Automatisierung gesetzt. Nur diese digitale Vollautomatisierung macht es möglich, überhaupt ein solches Geschäftsmodell zu betreiben.

Was sagen Sie zur Kritik, eine solche Vollautomatisierung lasse die Menschlichkeit vermissen?

Die Nähe zum Kunden holen wir auf der einen Seite über Befragungen in unserer eingeschworenen Community und über intensive Blogeinträge, auf der anderen Seite über unser 24h-Dienstleistungscenter ab, das nicht nur in Notfällen zur Verfügung steht. Diese Dienstleistungsorientierung wird bei uns extrem hoch geschrieben und verkörpert in Kombination mit der funktionierenden Technologie vielleicht genau das, was das Gesicht und das Image und somit das Profil der Firma ausmacht.

Catch a Car ist eine Aktiengesellschaft im Gegensatz zur Genossenschaft Mobility. Warum haben Sie sich für diese Rechtsform entschieden?

Da muss man sich zunächst fragen, warum Catch a Car von der Mobility getrennt wurde; Einerseits brauchten wir aufgrund der Verwechslungsgefahr eine klare Differenzierung, andererseits arbeiteten wir vom Anfang an mit den Partnern AMAG und Allianz sowie SBB Energieschweiz zusammen, weil es ein sehr kapitalintensives Geschäft ist. Diese Synergien für dieses Angebot zu bündeln war also sinnvoll. Nach der Pilotphase sind die AMAG und die Allianz als Investoren eingestiegen, da sie Erfahrungen in der Entwicklung des Mobilitätsmarktes sammeln wollen.
Von der Tatsache, dass diese Aktionäre im Verwaltungsrat sitzen und uns Energieschweiz und die SBB als strategische Partner unterstützen, profitieren wir heute besonders.

Wie funktioniert der Verwaltungsrat im strategischen Dialog untereinander?

Wir haben brillante, erfahrene Leute im Verwaltungsrat, mit denen Diskussionen auf sehr hohem Niveau geführt und Entscheidungen herbeigeführt werden. Der Erfolg des Geschäfts hängt aber auch sehr stark von den operativ tätigen Mitarbeitenden ab, denn sie haben die täglichen Rückmeldungen vom Markt.

Wie wichtig ist die Konstanz, das langfristige Denken für den Geschäftserfolg?

Mobility verdankt sicher einen Teil des Erfolgs der Rechtsform Genossenschaft, weil sie nicht auf kurzfristigen Renditen hin arbeiten muss, sondern den Gewinn in die Innovationen wie die Weiterentwicklung der Software reinvestieren kann. Dies generiert unmittelbar zwar keine einzige zusätzliche Fahrt, erhöht aber die Convenience für den Kunden. Das langfristige Denken ist für ein Geschäftsmodell wie Mobility oder Catch a Car wesentlich, weil dieses über die Einstellung des Einzelnen zur Mobilität gesteuert wird.

Punkto Langfristigkeit hat dieses Geschäftsmodell eine grosse Ähnlichkeit mit einem familiengeführten Unternehmen. Da sind die Mitarbeitenden essenziell.

Diese Aussage unterstütze ich hundertprozentig. Die Begeisterung der Mitarbeitenden und deren Dienstleistungsorientierung ist einer unserer Erfolgsfaktoren. Und engagierte Mitarbeitende haben wir nur, wenn wir sie in den Entscheidungsprozess einbinden. Dank unserem zeitgemässen Angebot sind die Mitarbeitenden auch Teil der modernen Mobilität in einem Start-up, wo man überall mitwirken und -gestalten kann. Dies schafft Zufriedenheit und bindet die Mitarbeitenden langfristig an ein Unternehmen und stellt somit ein unbezahlbares Kapital dar.

Dieser Artikel erschien im "Unternehmer"-Magazin der Credit Suisse, Ausgabe Frühling 2017.

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